Abschied und Neubeginn

(c) Eike Hoffmann 2013Brüche in der Biografie sind heute ziemlich normal geworden. Notwendige berufliche Flexibilität und Mobilität führen dazu, dass Familien umziehen müssen. Eine neue Wohnung, eine andere Schule und oft auch ein neuer Arbeitsplatz warten. Das bedeutet auch neue Nachbarn, neue Kollegen. Neue Freunde müssen gefunden werden. Aufbruchstimmung macht sich breit. Schön, wenn man dem Neuen gespannt mit Freude entgegensehen kann.

Das ist aber nicht immer möglich. Vielleicht fiele es uns leichter, mit den kleinen und großen Veränderungen umzugehen, wenn wir uns von der Vorstellung verabschieden könnten, dauerglücklich sein zu müssen.

Verabschieden, Abschied – das kann bedeuten, sich Zeit zu nehmen, noch einmal lieb gewordene Plätze aufzusuchen, wichtige Menschen zu treffen, gewohnte Rituale wie den Frühstückscappuccino ums Eck noch einmal bewusst zu genießen. Dazu gehört auch ein Gefühl von Melancholie und Traurigkeit. Ein Gefühl, dass sich auch so deuten lässt: Hier ist es mir gut gegangen, hier gewesen zu sein, hat mich bereichert, hierfür bin ich dankbar.

Der Abschied von den Menschen, die uns ein Stück unseres Weges begleitet haben, braucht besonderen Raum. Das gilt nicht nur für den Tod naher Angehöriger (Und selbst dann wird erwartet, dass man schnell wieder dem „normalen“ Leben nachgeht). Das gilt auch, vielleicht sogar besonders, in den Fällen, in denen die Trennung absichtlich herbeigeführt wurde. Meist ist etwas unerledigt geblieben, ungesagt, ungeklärt. Oft finden sich noch Groll und Wut.

In unserem Streben, immer leistungsfähig und fröhlich, mindestens aber gelassen zu sein, neigen wir dazu, über Gefühle von Trauer, Ärger, Leere einfach hinwegzugehen. Verschwunden sind diese Gefühle aber nicht. Sie gären im Unterbewusstsein, binden uns an Vergangenes und können bleischwer werden.

Abschiednehmen heißt dann auch, diese Gefühle wahrzunehmen und anzuerkennen. Vielleicht möchten Sie Ihre Gedanken aufschreiben, vielleicht einen Brief schreiben. Möglichkeiten gibt es viele.

Die bewusste Auseinandersetzung mit der Trauer befreit. Und macht damit wirklich frei für einen kraftvollen Neubeginn. Und wer weiß: vielleicht wird dieser ja besser und schöner als je zuvor? Denn Neuanfänge bieten auch immer die Chance, etwas Wunderbares zu werden. Eben so wie der Schmetterling aus der Raupe.

Oder wie Goethe es im Westöstlichen Divan so poetisch formulierte:

Lange hab’ ich mich gesträubt. Endlich gab ich nach.
Wenn das alte Ich zerstäubt, wächst das neue nach
Und solang du das nicht hast, dieses Stirb und Werde
Bist du nur ein trüber Gast auf der dunklen Erde.

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