Vertraue dem Leben

(c) Dr. Eike Hoffmann 2015

Wir leben in einem der sichersten und reichsten Länder der Erde. Wir genießen alle demokratischen Freiheiten und die meisten Urlaubs- und Feiertage. Uns stehen stets modernste Technik und beste medizinische Versorgung zur Verfügung. Eigentlich müssten wir zu den glücklichsten Menschen der Welt gehören.

Interessanterweise ist dies ganz und gar nicht der Fall. Im Gegenteil: Mit dem steigenden Wohlstand in der Bundesrepublik seit den 60er Jahren ist die Zufriedenheit eher gesunken. Depressionen, Angsterkrankungen und Burnout werden immer häufiger. Wissenschaftler sprechen vom Wohlstands- und Freiheitsparadoxon.

Wie kommt es, dass wir trotz Freiheit und Wohlstand so unzufrieden sind? Die Wahl zu haben zwischen scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten bedeutet eben auch, sich entscheiden zu müssen. Und sich für eine Möglichkeit (eine Automarke, eine Karriere, einen Lebenspartner) zu entscheiden, bedeutet, alle anderen Möglichkeiten auszuschließen. Was, wenn wir uns falsch entscheiden? Wenn uns die echt, echt, wirklich beste Wahl entgeht? So wägen wir alle Optionen tausendmal ab, grübeln, versuchen vorauszusehen, was die Zukunft auf einem bestimmten Weg bringen wird. Das führt dazu, dass wir uns entweder gar nicht entscheiden – dann wird für uns entschieden und wir sind unzufrieden – oder wir entscheiden uns zwar, trauern aber all den scheinbar verpassten Gelegenheiten nach: „Was wäre, wenn…?“

Die Freiheit zu wählen geht damit einher, dass wir ganz allein verantwortlich sind für unser Glück. Geht etwas schief, sind wir nicht nur enttäuscht und traurig. Nein, wir fühlen uns auch noch schuldig. Das hätte ich doch besser wissen müssen! Wie konnte ich nur so dumm, blind, unfähig… sein. Kommt Ihnen das bekannt vor? Die Liste ließe sich beliebig fortführen. Setzen Sie hier einfach ein, was Sie typischerweise über sich selbst in einer solchen Lage denken.

Nun verstärkt es nicht nur den Kummer, sich in einer Situation, in der ohnehin schon etwas schief gegangen ist, auch noch selbst herunterzuputzen. Diese Denkweise hat auch gravierende Auswirkungen auf das Leben in allen anderen Situationen. Keiner mag es, wenn er schlecht gemacht wird. Auch bzw. gerade nicht von sich selbst. Also versuchen wir zu vermeiden, dass wir in eine Lage kommen, in der wir etwas bereuen müssen und uns schuldig fühlen. Wir machen uns heute schon Sorgen darüber, was morgen schief gehen könnte. Mit zweierlei Konsequenzen: Wir scheuen Entscheidungen, weil sie sich als falsch herausstellen könnten, und wir vermiesen uns das eigene Glück durch dauernde Bedenken.

Das ist so verständlich! Leider auch so wenig hilfreich. Wie die Rheinländer so wunderbar sagen:

Et kütt wie et kütt. Und et hätt emmer noch mal joot jejange.

Was kommt, das kommt. Egal, ob wir uns vorher schon den Kopf darüber zerbrochen haben oder fröhlich den Tag genießen konnten. Nicht selten stellt sich dabei ein vermeintliches Unglück als Glücksfall heraus, wie man in Langenscheidts Handbuch zum Glück (Heyne Verlag, 27. August 2012) in vielen wahren Geschichten nachlesen kann. Oder auch in der Geschichte Das verlorene Pferd in den Bergen.

Mir ist selbst gestern erst eine solche Geschichte passiert. Etwas, das uns lange auf der Seele lag und zu vielen Grübeleien geführt hatte, löste sich ganz von selbst. Eine verlorene Geldbörse hat dabei die Hauptrolle gespielt. Entscheidungen mögen so unsicher sein, wie das Leben selbst. Aber eins ist sicher: das Leben ist auch immer wunderbar und wert, dass wir ihm vertrauen!

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