Gemeinschaft, Wertschätzung, „allseits geliebt“ sein wie der Protagonist in de Mellos Geschichte, sind das nicht Grundbedürfnisse eines jeden Menschen? Was tun wir nicht alles, um allseits beliebt zu sein. Heute scheint es ein Erfolgskriterium zu sein, wie viele Facebook-Freunde und Whatsapp-Kontakte man vorweisen kann. Jenseits der Diskussion, ob virtuelle Kanäle echte Kontakte verhindern oder aber die wirklich existenten Beziehungen zu pflegen helfen, möchte ich die Frage aufwerfen, ob es wirklich gut tut, „zu Dutzenden von Feiern“ eingeladen zu sein.
Ich kenne die eine oder den anderen, die immer verplant sind. Wenn der Beruf mal ein wenig Zeit lässt, ist diese sofort gefüllt mit Verabredungen und Treffen mit irgendwem aus dem mehr als 100 Kontakte zählendem iPhone-Register. Da darf auch keiner zu kurz kommen. Um niemandem wehzutun, werden beachtliche Anstrengungen der Terminkoordination und des Zeitmanagements unternommen. Wenn ich auf dem Weg zum Treffen noch schnell die Geschäftspost erledige und auf dem Rückweg vom Treffen noch einkaufe, ach ja und zwischendurch noch schnell die Mail für die nächste Verabredung schreibe, dann… Ja dann bin ich „allseits geliebt“.
Oder doch nicht? Nach meiner Beobachtung führt es nicht dazu, dass man sich wohler, geborgener, sicherer, zufriedener fühlt. Sondern gehetzt, gestresst, immer unter Druck und nirgends richtig dabei. Wen hab ich noch Samstagabend getroffen? Und was hat mir gestern jemand erzählt? Wirkliche Aufmerksamkeit für das Gegenüber ist in solchen Begegnungen meist nicht möglich, sodass das Gefühl von Wahrgenommen- und Gemeint-sein, echte Nähe eben, gar nicht entstehen kann.
Noch etwas passiert bei diesem Friends-Marathon: Um herauszufinden, wo man sich gerade befindet, mindestens aber wo man gestern war, muss man das kleine Notizbuch befragen. Oder Outlook.
Der Preis ist hoch: Wenn wir aus Angst etwas zu verpassen, nicht geliebt zu werden oder nicht wichtig genug zu sein, von einem Termin zum nächsten, einer Aktivität zur nächsten jagen, verlieren wir uns selbst.
Standortbestimmung. Wissen, wo ich mich in diesem einen Moment befinde. Das heißt auch, wissen, wie ich mich gerade befinde. Aufmerksam sein für mich selbst. Meine Gedanken und Gefühle wahrnehmen. Zur Ruhe kommen. Kraft sammeln. Neues denken. Kreativ werden.
Dieser Prozess benötigt die Stille. Und das Alleinsein. Denn auch das ist ein Grundbedürfnis des Menschen. Das Geheimnis liegt in der Balance.